Europäisches
Rußland
Der
südwestliche Kriegsschauplatz
Lage
und Grenzen
Der Kriegsschauplatz wird begrenzt im Westen vom westlichen Bug, etwa von
Ustilug an, dann von der galizischen und rumänischen Grenze (im ganzen
etwa 800 Werst), im Norden von der Straße Ustilug - Luzk - Kijew, im
Osten vom Dnjepr und im Süden vom Schwarzen Meer zwischen der Dnjepr- und
der Donaumündung. So hat das Gebiet die Gestalt eines unregelmäßigen
Viereckes, dessen breitester Teil (Jekaterinoslaw - Reni) etwa 600 Werst
beträgt. Der Kriegsschauplatz umfaßt die Gouvernements Podolien,
Bessarabien, Chersson, dann den größten Teil der Gouvernements Wolynien
und Kijew, sowie einen Teil des Gouvernements Jekaterinoslaw.
Oberflächengestaltung
Das Bild der Oberflächengestaltung ist im Kriegsschauplatz durchaus nicht
einheitlich, sondern zeigt zwei ganz verschiedene Zonen: im Süden reines
Steppengebiet, im Norden und besonders Nordwesten Hügellandschaft, im
ganzen Gebiete, mit Ausnahme des an das Poljessje grenzenden Streifens, häufig
scharf eingeschnittene Täler.
Als südöstliche Begrenzungslinie der Hügellandschaft (südrussischer
Landrücken) kann etwa eine Linie angenommen werden, die durch den
Jargorlyk, die Kadyma, die Sinjucha und den Tjaßmin gebildet wird.
Einzelne Wellen und Ausläufer des südrussischen Landrückens reichen
allerdings weiter nach Südosten und verursachen hier das Dnjeprknie bei
Jekaterinoslaw.
Eine militärische Bedeutung im Sinne von Hindernislinien kommt den
schwachen, nicht einmal 400 m absolute Höhe erreichenden Erhebungen natürlich
nicht zu; nur im äußersten Nordwesten, in der Gegend um Kremenez (405 m)
steigen höhere, steile, oft bewaldete Kuppen und Rücken empor, die im
Verein mit sumpfigen Wiesentälern wohl geeignet sind, einerseits wirksame
Marschhindernisse, andererseits günstige Verteidigungsstellungen zu
bilden. Eines dieser schwer durchschreitbaren Gebiete liegt zwischen dem
westlichen Bug und dem Oberlaufe des Styr, das andere zwischen Styr, Ikwa,
Goryn und Slutsch (Gegend um Dubno, Rowno, Ostrog, Kremenez).
Dagegen findet sich zwischen dem Goryn und dem Oberlaufe des südlichen
Bug eine gut gangbare Zone, die sich als die natürliche Eingangszone von
Galizien gegen Kijew darstellt.
Flüsse
Der Pruth bildet von Nowoselizy bis zur Einmündung in die Donau die
Landesgrenze gegen Rumänien. Ein ernstliches militärisches Hindernis ist
er bei normalem Wasserstande erst in seiner südlichen Hälfte - etwa von
der Einmündung der Loguschna an. Von hier an werden auch seine Ufer
sumpfig. Brücken führen über den Fluß bei Nowoselizy, Lipkany und
Ungeni.
Der Dnjestr entspringt in Galizien und durchströmt sodann den
Kriegsschauplatz zuerst in südöstlicher, dann in südlicher Richtung. In
seinem ganzen Verlaufe auf russischem Boden kann er als beträchtliches
militärisches Hindernis angesehen werden, besonders aber von Bendery ab,
wo seine bis dahin festen Ufer sumpfig werden. Breite und Tiefe des
Flusses sind größeren Schwankungen unterworfen; bis Mohilew beträgt die
Breite 160-250 m, weiter südlich 300-400 m, die Tiefe bis Bendery 29,50-4
m, im weiteren Verlaufe 5-6 m. Brücken sind vorhanden bei Mohilew;
Rybniza und Bendery (2).
Der in der Nähe der österreichischen Grenze entspringende südliche Bug
bildet in seinem Oberlaufe - bis etwa Winniza - mit seinen sumpfigen Ufern
ein starkes Hindernis für die vom oberen Dnjepr auf Kijew vorrückenden
Truppen. Obwohl im weiteren Verlaufe Tiefe und Breite des Flusses nicht
unwesentlich sind, so büßt er hier doch viel von seinem Charakter als
schwer zu überwindendes Hindernis ein, da er in einem trockenen Tale fließt,
das dem Brückenschlag günstig ist. Sein bedeutendster Nebenfluß ist der
bei Nikolajew einmündende Ingul, der die vom unteren Dnjestr auf
Jekaterinoslaw führenden Wege kreuzt.
Der wichtigste Strom ist der den Kriegsschauplatz im Osten abschließende
Dnjepr. Seine Bedeutung liegt vor allem in seiner Eigenschaft als große
Stromschranke für die aus Ostgalizien oder Rumänien auf Moskau anrückenden
feindlichen Armeen. Der Fluß, oft von steilen Ufern begleitet, bildet von
Kijew an, wo er eine Breite von 360-500 m erreicht, bis zu seiner Mündung
ein Hindernis allerersten Ranges. 30 Werst südlich von Jekaterinoslaw,
woselbst die Flußbreite schon 1000 m beträgt, liegen die bekannten
Stromschnellen ("Porogi"). Bei Kijew, Krementschug,
Jekaterinoslaw und Einlage führen Brücken über den Strom.
Die wichtigsten rechten Nebenflüsse des Dnjepr sind der Ingulez und der
Busulug, die die Anmarschwege vom unteren Dnjestr auf Jekaterinoslaw
sperren.
Einen ganz anderen Charakter als die häufig mit vielfachen Windungen in
tief eingerissenen Tälern dahinfließenden Flüsse des mittleren und südlichen
Teiles des Kriegsschauplatzes zeigen die Wasseradern im nördlichen
Abschnitt, der zum Stromgebiet des Pripet gehört, dessen versumpfte
rechte Nebenflüsse wirksame Hindernislinien darstellen gegenüber einem
aus rein westlicher Richtung auf Kijew operierenden Feind. Es sind dies
der Styr mit der Ikwa und der Goryn mit seinen Nebenflüssen Stubel und
Slutsch, wovon besonders der letztgenannte weithin versumpfte Ufer
besitzt.
Wälder
An Wäldern ist das Gebiet verhältnismäßig arm: sie bedecken nur etwa
10 % der Bodenfläche. Sehr ausgedehnte, zum Teil schwer gangbare sumpfige
Waldungen liegen nur im Norden, zwischen der Ikwa und dem Teterew, wo sie
unter dem Namen "Kleines Poljessje" die südliche Fortsetzung
der Rokitno-Sümpfe bilden. Weitere stellenweise sumpfige Waldzonen
befinden sich in der Gegend von Dubno - Ostrog, dann westlich von Winniza,
südlich von Tscherkassy und westlich von Kischinew. Im südlichen Teil
des Kriegsschauplatzes fehlt der Wald, fast vollständig.
Klima
Bei der großen Ausdehnung des Kriegsschauplatzes von Norden nach Süden
weist das Klima naturgemäß erhebliche Verschiedenheiten auf. Im Norden
ist es ziemlich feucht, je mehr man nach Südosten vorrückt, desto
weniger Niederschläge sind zu verzeichnen.
Der Frühling beginnt Mitte März. Um diese Zeit entstehen, durch die
Schneeschmelze hervorgerufen, vielfach Überschwemmungen und große
Gebiete werden unwegsam. Doch die steigenden Temperaturen und die heftigen
Winde trocknen den Boden rasch auf. Im Sommer fällt im allgemeinen wenig
Regen und im Süden herrscht dann oft eine drückende, sehr empfindliche
Schwüle. Starke Regengüsse treten gewöhnlich Mitte Juli in Podolien und
im nördlichen Bessarabien auf.
Mitte September beginnt der Herbst, hinsichtlich der Wärmegrade und der
Beständigkeit des Wetters die angenehmste Jahreszeit.
Im Winter sind im Norden die Wasserläufe in der Regel von Mitte
Dezember bis Mitte März mit Eis bedeckt, während im Süden die Unterläufe
des Dnjepr, Dnjestr und Bug häufig überhaupt ohne Eis
bleiben.
Für militärische Unternehmungen zur Sommerzeit ist das im Süden
insofern ungünstig, als die wenigen oder überhaupt fehlenden Niederschläge
große, die Leistungsfähigkeit sehr beeinträchtigende Trockenheit
erzeugen.
Bevölkerung
An Bevölkerungsdichte kommt der Kriegsschauplatz unmittelbar hinter
Polen: auf 1 QW treffen 75 Einwohner. Zwei besonders stark bevölkerte
Gebiete fallen auf: eines zwischen den Oberläufen des Goryn und Dnjestr,
das andere im äußersten Nordosten; sehr schwach bevölkert ist dagegen
der äußerste Nordwesten.
Etwa 17 % der Einwohner bewohnen Städte, deren das Gebiet zwar nicht
viele, aber dafür bedeutende aufweist, namentlich im Süden, wo auf die
Stadtbevölkerung 40 % treffen. Die wichtigsten Städte sind:
Odessa
mit 450000 E.
Kijew mit 319 000 E.
Jekaterinoslaw mit 136 000 E.
Kischinew 126 000 E.
Nikolajew 92000 E.
Chersson 73000 E.
Die
bewohnten Punkte sind im Kriegsschauplatz ziemlich dünn gesät -
durchschnittlich auf 17 QW eine Ansiedlung - dafür aber umso größer
(etwa 125 Höfe auf ein Dorf). Auf den Hof treffen nur 6 Einwohner.
Die Unterkunftsverhältnisse in den kleinrussischen Dörfern können
vergleichsweise günstig genannt werden. Wenn auch die Wohnhäuser häufig
nur ein Zimmer aufweisen, das der Bewohner oft mit allerhand Haustieren
teilt, so ist es in der Regel doch, mit den polnischen Ansiedlungen
verglichen, geräumig, hell und sauber. Die Rumänen wohnen ärmlicher, am
schlechtesten aber, wie überall in Rußland, die Juden. Die besten
Unterkunftsverhältnisse trifft man bei den deutschen Kolonisten an.
Im großen ganzen sind somit die Bedingungen für die Unterbringung von
Truppen im Kriegsschauplatze nicht ungünstig zu nennen. Die großen Städte
und Dörfer gestatten die Einquartierung beträchtlicher Massen, das warme
Klima ermöglicht übrigens daneben während vieler Monate auch das
Biwakieren. Wenig vorteilhaft für die Unterkunft ist nur die große
Entfernung zwischen den einzelnen bewohnten Punkten und im Süden der
Wassermangel, worunter manche Distrikte leiden.
Die Bevölkerung ist ziemlich gemischt; nur ¾ sind Russen (Kleinrussen);
im einzelnen setzt sie sich zusammen aus
73
% Russen
2 % Deutschen
9 % Rumänen
2 % Polen
12 % Juden
2 % Zigeunern, Bulgaren
und anderen.
Die
Russen bevölkern das ganze Gebiet ziemlich gleichmäßig mit Ausnahme der
Gouvernements Bessarabien, wo sie nur ein Drittel der Einwohnerschaft
bilden.
Auch die Juden, hier ein ziemlich rassenfeindliches Element, sind in allen
Gouvernements anzutreffen.
Die Polen wohnen im Nordwesten und die Rumänen in den Gouvernements
Bessarabien, Chersson und Podolien.
Deutsche Kolonien finden sich zerstreut am Goryn, westlich von Shitomir,
nordwestlich von Nikolajew und im Dnjeprknie.
Bodenerzeugnisse
Fast der ganze Kriegsschauplatz fällt in das Gebiet der fruchtbaren
Schwarzerde ("Tschernosjom"), die hier besonders an den Ufern
des südlichen Bug und des Dnjestr reichen Pflanzenwuchs aufweist. So ist
denn die Landwirtschaft, daneben die Viehzucht die Haupterwerbsquelle der
Bevölkerung.
Nur etwa 5 % des Bodens bleiben unproduktiv, 10 %, entfallen auf die Wälder,
38 % auf Ackerland, der Rest auf Wiesen und Weiden (im Süden
Steppenlandschaft).
Die weitaus wichtigste Rolle unter den Getreidearten spielt der Weizen,
der in einem solchen Umfang gebaut wird, daß nicht nur die starke
einheimische Bevölkerung versorgt wird, sondern auch jährlich über 10
Millionen Pud ins Ausland gehen.
Neben Getreide werden Zuckerrüben, Flachs und im Südwesten auch Wein
gebaut.
An Vieh ist das Gebiet ebenfalls reich, namentlich der Süden. Auf 100
Einwohner treffen 37 Stück Hornvieh (große Viehmärkte in Bjelzy,
Jelisawetgrad und Pawlograd). Auch die Schaf- und Schweinezucht ist hoch
entwickelt (60 Schafe und 45 Schweine auf 100 Einwohner).
Die Pferdezucht (19 Pferde auf 100 Einwohner) wird besonders im Nordwesten
betrieben.
Handel und Gewerbe befassen sich in erster Linie mit Getreide und
Schlachtvieh, das ebenfalls zur Ausfuhr gelangt, dann mit Eisenwaren
(Eisenerze im Dnjeprknie), Zucker, Wein, Früchten und Tabak.
Aus vorstehendem erhellt die militärische Bedeutung des
Kriegsschauplatzes als gewaltiges Verpflegungsreservoir für die russische
Armee, dessen Besitz für diese fast eine Lebensfrage bedeutet und dessen
Gewinnung ein erstrebenswertes Ziel für die feindlichen Armeen bilden
wird.
Eisenbahnen
Das Eisenbahnnetz ist zwar nicht besonders dicht, dafür aber umfaßt es
ziemlich gleichmäßig das ganze Gebiet. Vier Linien kommen aus dem
Inneren Rußlands über den Dnjepr in den Kriegsschauplatz herein: bei
Kijew, Krementschug, Jekaterinoslaw und Alexandrowsk. Innerhalb des
Kriegsschauplatzes führen diese Linien, gequert von solchen aus
Nordwesten, weiter nach Westen, sodaß also Truppenverschiebungen in dem
Gebiete selbst wie auch die Verbindung nach rückwärts für die russische
Armee ermöglicht sind. Noch wichtiger für Rußland sind aber neben den
Schienenwegen nach Galizien und Rumänien die Verbindungen des südwestlichen
Kriegsschauplatzes mit dem nordwestlichen und mit Polen, welche Gebiete
bekanntlich auf die Zufuhr aus dem fruchtbaren Süden angewiesen sind.
Hierfür kommen außer der Linie über Sarny folgende Bahnen in Betracht:
1. Die Linie Kijew - Fastow - Kasatin - Rowno - Kowel (zweigeleisig). Sie
verbindet das südwestliche Kriegstheater mit den Weichselprovinzen und
durch die Linie Rowno - Luninez auch mit dem nordwestlichen
Kriegsschauplatz. Durch die Abzweigung über Sdolbunowo - Radziwilow wird
die Strecke mit dem österreichischen Eisenbahnnetz verknüpft.
2. Linie Krementschug - Snamenka - Zwjetkowo -,Wapniarska - Shmerinka -
Wolotschisk (zweigeleisig). Anschluß an Galizien über Tarnopol auf
Lemberg.
3. Jekaterinoslaw - Snamenka - Birsula - Okniza - Nowoselizy. Fortsetzung
über Kolomea in Galizien.
4. Odessa - Rasdijelaja - Bendery - Ungeni ,mit der Abzweigung
Bendery-Reni: die beiden nach Rumänien führenden Schienenstränge.
Von Norden nach Süden werden erwähnte Linien von folgenden zwei Bahnen
durchschnitten:
1. Shitomir - Kasatin - Shmerinka - Birsula - Odessa (zweigeleisig) und
2. Fastow - Zwjetkowo - Snamenka - Nikolajew, zwei für die
Getreideausfuhr höchst wichtige Strecken.
Wege
An Chausseen ist das Gebiet ziemlich arm, mit Ausnahme des nordwestlichen
Teiles in der Nähe der Befestigungen von Luzk, Dubno und Rowno. Die
wichtigste, den Kriegsschauplatz mit Polen verbindende Chaussee ist die
von Kijew über Shitomir - Rowno auf Brest - Litowsk führende.
Auch das Netz der Verbindungswege ist wenig entwickelt, doch ist
wenigstens der Zustand dieser Wege im Südwesten und Südosten dank der günstigen
Bodenverhältnisse (stellenweise Granit) fast das ganze Jahr über gut zu
nennen. Der lehmige Boden im Nordwesten dagegen macht namentlich im Frühjahr
viele der dortigen Wege auf Wochen hinaus unbenützbar.
Befestigte
Plätze
Der zwischen dem Poljessje und Galizien liegende Streifen, der in militärgeographischem
Sinne gewissermaßen eine Landenge darstellt, ist durch drei Befestigungen
geschützt: eine ständige bei Dubno, wo die nach Österreich führende
Bahn die Ikwa überschreitet, und zwei behelfsmäßige, die eine bei Luzk
(Straßenknotenpunkt) und die andere an dem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt
Rowno.
Aufgelassene Festungen sind Kijew und Bendery.
Die am Schwarzen Meere gelegenen festen Plätze werden später betrachtet
werden.
Militärische
Bedeutung des Kriegsschauplatzes
Der südwestliche Kriegsschauplatz, durch das Poljessje vom nordwestlichen
getrennt, bildet das Durchgangsgebiet für einen ,aus Galizien oder Rumänien
auf Moskau oder Kijew vordringenden Feind. Dieser wird die günstigsten
Geländeverhältnisse für seinen Anmarsch vorfinden in dem Streifen
zwischen den Oberläufen des Goryn und des südlichen Bug - also etwa in
Richtung auf Berditschew -, denn südlich hiervon sind die Wasserläufe
des Dnjestr und Bug zu überwinden und nördlich ist die Gangbarkeit
wesentlich schlechter, das Gebiet außerdem durch die Befestigungsgruppe
Luzk - Dubno - Rowno gesperrt. In der linken Flanke erscheint ein solcher
Vormarsch bis zu einem gewissen Grade gesichert durch das unwegsame kleine
Poljessje, während die freie rechte Flanke jederzeit durch russische
Truppen gefährdet ist, die auf einer der von Südosten heranführenden
Bahnlinien nach Nordwesten geworfen werden.
Daß hinsichtlich Verpflegung und Unterkunft Freund und Feind auf dem größten
Teil des Kriegsschauplatzes vorteilhafte Verhältnisse vorfinden werden,
ist schon erörtert worden. Rußland , das bei einem länger dauernden
Feldzuge auf die Kornkammer des südwestlichen Kriegsschauplatzes
angewiesen ist, wird dort zur Behauptung dieses wertvollen Gebietes auch
dann ansehnliche Streitkräfte zurücklassen müssen, wenn die
Hauptentscheidung auf anderen Kriegsschauplätzen gesucht wird. Sollten
Deutschland und Österreich bei Beginn des Feldzuges gemeinsam gegen die
Weichselprovinzen vordringen, so wird Österreich gezwungen sein, auch
gleichzeitig einen Teil seiner Kräfte durch Galizien gegen den südwestlichen
Kriegsschauplatz zu entsenden, da es sonst Flankenstößen von dort her
ausgesetzt ist.
Für großangelegte offensive Unternehmungen Rußlands würde der
Kriegsschauplatz wohl eine geeignete Basis bilden, allein wie bei den übrigen
westrussischen Grenzländern so steht auch hier Rußland hinsichtlich der
Anzahl seiner Bahnlinien dem Nachbarn gegenüber entschieden im Nachteil.
Das Fehlen großer Wald- und Sumpfzonen im südwestlichen
Kriegsschauplatz - wenn man vom nordwestlichen Teile absieht - macht im
Zusammenhalt mit dem verhältnismäßig gut entwickelten Bahnnetz, der
besseren Wegsamkeit und den reichen örtlichen Hilfsquellen das Gebiet
wohl geeignet für militärische Operationen großen Stiles. Im Gegensatze
zu anderen russischen Kriegsschauplätzen begünstigen die Geländeverhältnisse
nicht einseitig die Verteidigung. |